Vortrag des heimatkundlichen Vereins Anger – Karl-Heinz Spranger referiert zur Entwicklung der bäuerlichen Baukultur
Von Monika Konnert:
Anger: Weit zurück in die Steinzeit ging Karl-Heinz Spranger in seinem Vortrag beim heimatkundlichen Verein Anger. Denn bereits vor etwa 5.000 vor Christus habe der Mensch mit dem Bauen begonnen, nachdem er vorher in Höhlen Schutz vor Wetter und wilden Tieren gesucht hatte. Anschaulich schilderte er die Entwicklung der bäuerlichen Baukultur, die eng verbunden war mit der geschichtlichen und wirtschaftlichen Entwicklung in Europa. Heute ist das Jahrhunderte alte bauliche Erbe in Gefahr, verloren zu gehen. Ohne seinen unschätzbaren Reichtum an Architektur und Bausubstanz, zu dem auch die bäuerliche Baulandschaft in unserer Region zählt, würde Europa aber sein ureigenstes Gesicht verlieren, davon zeigte sich Spranger überzeugt. Die Baulandschaft sei ein Spiegel der Geschichte und ein zentrales Element unserer europäischen Kultur.
Erhard Zaha, Heimatpfleger und Leiter des Heimatmuseums Anger, freute sich, mit Karl-Heinz Spranger, ehemaliger Architekt des Landratsamtes, heute Kreisheimatpfleger für den äusseren Landkreis, einen ausgewiesenen Experten zu diesem Thema gewonnen zu haben. Unter den interessierten Zuhörreren war auch der Bürgermeister von Anger, Silvester Enzinger.
Das Thema „Bäuerliche Wohnkultur“ sei komplex, so der Referent. Über achtzig Hauslandschaften gebe es in Deutschland, davon 28 in Bayern. Die ersten menschlichen Bauten seien Traggerüste gewesen, die mit Blättern, belaubten Zweigen oder Baumrinde bedeckt Schutz vor Wind und Wetter boten. Mit Zunahme der Seßhaftigkeit begannen die Menschen Rundhütten zu bauen, die mit Gras, Schilf, Häuten, Fellen, geflochtenen Matten, Torf bedeckt wurden und in deren Mitte eine Feuerstelle war. Es folgte der steinzeitliche Ständebau, der sich dann Schritt für Schritt zum dreigeteilten Langhaus – Wohnen, Tiere, Vorratshaltung – weiterentwickelte. Übrigens käme das Wort „Wand“ von Weidegeflecht (die Weide wurde gewunden), das lehmverschmiert zum Schutz der Seiten des Baus angebracht wurde. Mit den Kelten und dem Bergbau entstanden Werkzeuge zum Bearbeiten des Holzes, was den Pfostenbau und die Gestaltung der Blockwände möglich machte. Weil die in die Erde eingelassenen Pfosten aber relativ schnell abfaulten, mußten solche Häuser nach circa zwei Generationen erneuert werden. Deshalb hat man begonnen auf Fundamente zu bauen und darauf in Blockbauweise das Haus zu errichten. Allerdings konnte der Bauer ein solches Haus nicht mehr allein bauen und damit entstanden die mit dem Bau verbundenen Handwerkerberufe. Spranger legte anschaulich dar, wie sich die Technik der Hochbauweise und die Grundform des Einfirsthofes bis ins 19. Jahrhundert ständig weiterentwickelt haben. Dabei waren die Gestalt und Bauweise der Bauernhäuser geprägt von den vor Ort vorhandenen Baumaterialien (zum Beispiel Holz oder Stein), von der Art des bäuerlichen Betriebs (Viehzucht, Ackerbau, Weinbau), den klimatischen Bedingungen in der Region sowie der Boden- und Geländebeschaffenheit. Aber auch Vorschriften der Bauverwaltungen, die es schon früh gab, prägten den Formenreichtum und waren wichtige Schritte in der weiteren Entwicklung.
Auf drei große Ereignisse in der Zeit nach Christus ging Spranger besonders ein, weil sie die bäuerliche Entwicklung und damit auch die Lebens- und Wohnkultur in Europa grundlegend beeinflußt haben. Im frühen Mittelalter (circa 780 nach Christus) war es die die Landgüterverordnung Karls der Großen. In deren Folge entwickelte sich das sogenante Villikationssystem, wo sich die Bauern freiwillig den Grundherren unterwarfen und ihnen hörig wurden, die Vorboten des Feudalsystems im Mittelalter. Um das Jahr 1100 erlebte Europa eine Warmzeit. Die besseren Klimabedingungen führten zu höheren Erträge und genügend Nahrung für alle. Für landwirtschaftliche Flächen wurden viele Wäder gerodet. Einige Jahrhunderte später führten zwei bahnbrechende Erfindungen zu einem Riesensprung bei den landwirtschaftlichen Erträgen mit direkten Auswirkungen auf die Baukultur. Justus von Liebig erkennt 1840, dass man anorganische Stoffe dem Boden als Dünger zugeben kann und Gregor Mendel formuliert um 1866 die Lehre von der Vererbung. Größere Ernten bedeuten aber, dass man die Wirtschaftsräume erweitern muß. Der Einhof verändert sich in den T-Hof und den Hakenhof.
Zum Abschluß seines Vortrages zeigte Spranger Fotos von noch erhaltenen Bauernhöfen in unserer Region. Leider würden diese immer weniger, auch weil man sie nicht genügend schätze. Die Stallungen würden inzwischen maßgenau aus dem Katalog bestellt, der Bauer hätte gar keine Möglichkeiten mehr, sich kulturplanerisch zu betätigen. Solche Ställe seien europaweit austauschbar und kein Alleinstellungsmerkmal einer Region. Er plädierte dafür, alte Bauernhäuser nicht abzureißen, sondern so zu renovieren, dass ihre Grundstruktur erhalten bleibt. Das dies möglich ist, zeigte er anhand von Bildern gelungener Umbauten.
Fotos: alle Fotos: M. Konnert
Foto: Kreisheimatpfleger Karl-Heinz Spranger (links) sprach auf Einladung des Vorsitzenden des Heimatkundlichen Vereins Anger Erhard Zaha
Foto: Bauernhaus Oberteisendorf. Bauernhaus aus Oberteisendorf im Freilichtmuseum Glentleiten
Foto: Landschaft mit Bauernhäuser: Typische bäuerliche Landschaft aus unserer Region, nachgestellt im Freilichtmuseum Glentleiten